„Die trinkende Frau“: Was Alkohol mit Feminismus zu tun hat

Wie steht ihr zum Alkohol? Also ihr Mütter und Frauen da draußen? Vertragt ihr was? Wenn ihr was trinkt, ist es dann eine Weißweinschorle oder nehmt ihr auch gern mal ein Bier oder einen Cocktail? Warum ich das frage? Ich habe „Die trinkende Frau“ von Elisabeth Raether gelesen. Ein kleines handliches Büchlein mit kurzen Kolumnen rund um das Thema Trinken. Aber nein, es geht nicht nur ums Trinken, sondern um eine Frau, die gern trinkt. Alkohol versteht sich. Bei dem Titel habe ich mich direkt angesprochen gefühlt. Ich brauchte das Buch, ich las es und mir wurde klar, wie sehr trinkende Frauen und Feminismus miteinander zusammen hängen.

Um eins mal klar zu stellen, es geht nicht um sich wahllos betrinkende Frauen. Grundsätzlich muss man an dem Image was geraderücken. Vergesst das Bild der sich betrinkenden britischen Mallorca-Touristin, die sich im knappen Mini und draller Figur daneben besäuft. Es geht um viel mehr: Nämlich um das Bild einer Frau, die sich zum Ende des Tages oder mal zwischendurch einen Drink genehmigt. Und das ganz ohne Anlass. Denn dieses Bild kommt in unserer Gesellschaft quasi gar nicht vor. Dass sich Männer zum Mittag ein Glas Bier bestellen und gemeinsam mit Kumpels wirklich genüsslich ihren Abend mit Alkohol zelebrieren, sorgt hierzulande nicht wirklich für Aufsehen. Wenn eine Influencer-Instagram-Mutter mittags um zwölf im Lockdown mit zwei kleinen Kinder zuhause nach einem Wein schreit, dann finden wir das ulkig. Die Frau kann doch um diese Uhrzeit nicht trinken?! Doch, sie kann! Sie soll sehr wohl, denn warum sollten wir zwischen den Geschlechtern einen Unterschied in der Uhrzeit machen?

Das Bild der trinkenden Frau in der Öffentlichkeit ist kein Gutes. Frauen vertragen nichts, sübbeln nur süßes Zeug und wenn ihnen im betrunkenen Zustand was passiert, sind sie ja selber schuld. Wie oft habt ihr von euren Eltern eingetrichtert bekommen, auf Partys nicht zu viel zu trinken… Und eure Brüder? Wie oft hörten die das? Schon allein das zeugt doch davon, dass wir Unterschiede machen zwischen einem trinkenden Mann und einer trinkenden Frau! Wir und unsere Doppelmoral, das ist schon ziemlich zum kotzen!

Nun denn, zurück zum Buch. Mir gefallen die kurzen Episoden im Buch sehr, denn die kann man zwischendurch und in Raten lesen. Ich selber habe mir das Buch in den Rucksack gepackt, wenn der Sohn Fußballtraining hatte. Ich stellte mich an den Rand des Platzes und las. Und ich pflichte Elisabeth Raether bei, wenn sie beschreibt, dass sie keinen Anlass bräuchte, um was zu trinken. Wie schön es ist, sich mit einer Freundin zu betrinken, um sich auch mal was von der Leber zu Reden (die arme Leber hat schon genug zu tun). Dass es nicht darum geht, sich zu betrinken, sondern den Rausch zu genießen und am Ende des Tages auch mal ganz bei sich zu sein. Die Kolumnen sind alle in unterschiedlichen Jahren entstanden. Besonders eindrucksvoll fand ich ihre Anekdote über ihre Reise nach Teheran. Alkohol spielt in diesem Land überhaupt keine Rolle. Genauso spielen dort auch Frauen in der Öffentlichkeit keine Geige.

Was ich merke ist, wie differenziert unsere Gesellschaft mit dem Thema Alkohol umgeht. Gröllende Oktoberfestbesucher sind völlig ok. Frauen hingegen findet man peinlich. Warum? Weil sich das nicht gehört? Ich weiß, dass ich weder zum Lachen noch zum Trinken gern in den Keller gehe. Und wenn ich mir zum Abend einen Wein aufmache, weil ich mich freue, den Tag ausklingen zu lassen und die letzten ruhigen Stunden einfach auch mal als ich selbst zu genießen, dann darf ich das genauso, wie es mein Mann tun kann. Und nein, wir sind nicht alle automatisch abhängig. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

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